Bildliche Darstellungen auf Wertmarken: Enzian vor Bergkulisse

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Foto: Bernd Thier

Beitrag von Bernd Thier

Vorbemerkungen:

Bildliche Darstellungen finden sich in unterschiedlichen Ausprägungen immer wieder auf Wertmarken. Während im 16. bis frühen 19. Jahrhundert Bilder, Symbole oder Bildmarken oftmals dominierten, da die meisten Menschen nur unzureichend lesen konnten, werden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Inschriften und Umschriften zur Informationsvermittlung und Beschreibung der Funktion oder des Herausgebers einer Marke immer wichtiger, so das sich Abbildungen deutlich seltener finden und dabei meist auf bestimmte Stereotypen reduziert wurden.

Enzian vor Bergkulisse

Die meisten Getränkemarken des 19. und 20. Jahrhunderts wurden für den Bezug der Kaltgetränke Bier, Wein, Sekt, Wasser, Limonade und Cola sowie für die Heißgetränke Kaffee und Tee verausgabt. „Schnapsmarken“ sind dagegen eher selten anzutreffen.

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Stumme anonyme „Schnapsmarke“ mit der Abb. eines Enzian vor einer Bergkulisse sowie eines Blätterkranzes, Aluminium, Dm 22,3 mm, Stärke 1,32 mm, unbekannte Prägeanstalt, um 1930 (Foto: Bernd Thier)

Die hier vorgestellte Marke zeigt einen Enzian vor einer Bergkulisse. Die Enziane (Gentiana) sind eine Pflanzengattung in der Familie der Enziangewächse (Gentianaceae). Die fast weltweit vorkommenden 300 bis 400 Arten sind vorwiegend in den Gebirgen der gemäßigten Zonen der Nordhalbkugel, aber auch in den Anden beheimatet. Einige Arten werden auch zur Schnapsherstellung und zur Gewinnung von Heilmitteln genutzt.

Der Enzianschnaps ist eine aus dem Alpenraum stammende Spirituose. Dem sehr aromatisch-bitteren Wurzelbrand werden diverse Heilwirkungen zugeschrieben, insbesondere ist er ein Digestif (Verdauungsschnaps). In Tirol ist er registriertes traditionelles Lebensmittel, und das regionale Wissen um die Standorte, das Ernten und das Verarbeiten im Paznaun wurde 2013 der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt.

Blauer Enzian (Quelle: Wikipedia)

Entgegen landläufiger Meinung (meist durch die Abbildungen auf den Etiketten noch unterstützt) wird diese Spirituose nicht aus der Blüte der blauen Enziane, sondern aus der Wurzel (botanisch korrekt: dem Rhizom) des wesentlich größeren und daher ergiebigeren Gelben Enzians (Gentiana lutea) gebrannt.

In geringerer Menge werden auch die Wurzeln des Purpur-Enzians (Gentiana purpurea), des Ostalpen-Enzians (Pannonischer oder Ungarischer Enzian, Gentiana pannonica) und des Tüpfel-Enzians (Punktierter Enzian, Gentiana punctata) verwendet. Der Gelbe Enzian ist derjenige der Kalkalpen, der Tüpfel-Enzian steht nur im Kristallin der westlichen Alpen bis Tirol, Purpur-Enzian bevorzugt ebenfalls kalkfreie Böden, der Ostalpen-Enzian ist kalk-unspezifisch, letztere beide teilen sich die Verbreitung ab der Westschweiz. Daher ist die für den Schnaps verwendete Sorte – zumindest in der traditionellen Herstellung – eine Frage der Herkunft. Sie werden auch Hochstauden-Enziane genannt, weil sie alle bis über einen Meter hoch werden können.

Auf die eine oder andere Weise sind alle zur Brennerei geeigneten Enzian-Arten streng geschützt. Die Standorte wurden früher meist geheim gehalten. Außerdem sind sie leicht mit dem hochgiftigen Germer zu verwechseln, die Wildsammlung erfordert Erfahrung. Die Entnahme der Wurzeln (Enzianstechen) aus der Natur ist heute mengenmäßig stark reglementiert, daher werden für die Spirituosenherstellung gezielt angebaute Pflanzen verwendet, wobei einzig der Gelbe Enzian, der die meisten Bitterstoffe enthält, in nennenswertem Umfang kultiviert wird.

Enzianschnaps ist ein Wurzelbrand, wird also aus der aus den gehackten Wurzeln angesetzten Maische destilliert. Der Mindestalkoholgehalt eines Enzianschnapses beträgt 37,5 Volumenprozent. Um 1 Liter zu erzeugen, benötigt man etwa 60 bis 70 Wurzelstöcke.

Der Enzian gehört sicherlich zu den alten Heilpflanzen (erste nachweisliche Erwähnung in de Materia Medica von Dioskurides, 1. Jh. nach Chr.), Die Herstellung von Enzianschnaps dürfte bis in das Hochmittelalter zurückgehen und ist ab dem 17. Jahrhundert sowohl im klösterlichen wie auch im bäuerlichen Bereich nachweislich. Seine Hochblüte erlebte die Brennerei von etwa 1650 bis 1800, das Enzianstechen damit aber eine ernste Bedrohung für den Bestand (Enziane brauchen bis zu acht Jahre bis zur ersten Blüte). Schon in dieser Zeit finden sich Verbote und Reglementierungen, so wurde beispielsweise in Tirol 1694 für Unterinntal und Wipptal, 1700 für das ganze Land das Stechen und Schnapsherstellen untersagt, wegen der grassierenden Schwarzbrennerei aber 1747 durch Grab-Lizenzen und Abgaben geregelt. Seit den 1960ern greifen zunehmend auch die jeweiligen Naturschutzgesetze, die die Enziane als Leit- und Symbolpflanzen der Alpen unter besonderen Schutz stellten.

Wie alle bitteren Arzneimittel ist Enzian primär verdauungsfördernd und ein Tonikum (allgemeines Stärkungsmittel), ist antiseptisch (allgemein keimtötend), und gilt daneben in der Volksmedizin unter anderem als fiebersenkend und wirksam gegen Wurmbefall bei Mensch und Tier.

Traditionell hergestellte Enzianschnäpse aus Naturernte werden im Allgemeinen auch als Heilmittel, und nicht als Getränk vermarktet, und wegen der Intensität des Geschmacks und dem hohen Preis oft verdünnt angewandt, innerlich als auch äußerlich.

Die älteste Enzianbrennerei Deutschlands ist die Enzianbrennerei Grassl in Berchtesgaden, die sich bis 1602 zurückverfolgen lässt.

In Tirol wird der Enzner traditionell sowohl aus den Wurzeln des Gelben Enzians als auch aus jenen des Punktierten Enzians gebrannt. Er wurde für dieses Bundesland in das Register der Traditionellen Lebensmittel übernommen, und ist damit bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum registriertes Allgemeingut.

In der Schweiz genießt der Enzianschnaps / Eau-de-vie de gentiane noch keinen allgemeinen rechtlichen Schutz, er wurde aber vom Verein Kulinarisches Erbe der Schweiz registriert, und zwar besonders für die Regionen Massif jurassien und Préalpes (Kantone Jura, Neuchâtel, Vaud, Valais), wo speziell der Gelbe Enzian genutzt wird. Der früheste Nachweis von 1796 stammt aus Neuchâtel. Ein besonderes Zentrum dürfte das Vallée de Joux gewesen sein. (Quelle: Wikipedia)

Die vorliegende Marke dürfte daher vermutlich in den Alpenregionen von Bayern, Österreich oder der Schweiz verwendet worden sein. Wie in der üblichen Werbung für diesen Schnaps wird der optisch schöne Blaue Enzian abgebildet, obwohl er gar nicht für die Herstellung verwendet wird.

Achtung: Hier eingefügte Links können nicht ständig überprüft werden, daher keine dauerhafte Garantie für deren Gültigkeit!


15. Januar 2017

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