Wertmarken als Metallspenden im Ersten Weltkrieg 1918
Beitrag von Klaus-Peter Hörr und Bernd Thier
Vorbemerkung:
Inzwischen sind viele numismatische bzw. historische Bücher und Fachzeitschriften sowie auch Journale und selbst Tageszeitungen aus dem 19. Jahrhundert digitalisiert worden und stehen in einer Volltextsuche über diverse Bibliotheks-Portale im Internet zur Verfügung.
Die sich hierbei zu bestimmten Begriffen (z. B. Marke, Wertmarke, Werthmarke, Biermarke, Werkzeugmarke, Kontrollmarke, Brotmarke etc.) ergebenden „Treffer“ liefern manchmal wichtige Informationen zu damals bereits erfassten historischen oder auch gerade aktuell verausgabten Marken. Diese rein schriftlichen Quellen erbringen daher manchmal sehr spannende Hinweise auf Marken-Ausgaben, die bisher in der modernen Wertmarken-Literatur noch nicht erfasst sind oder möglicherweise auch gar nicht im Original bis heute überliefert wurden. Es finden sich oft aber auch Angaben zu den historischen Hintergründen der Marken, ihrer genauen Funktion, zu den Herstellern, den Herausgebern oder ganz allgemein zum Thema Marken und Zeichen.
Um eine Quelle dieser Art handelt es sich auch im nachfolgenden Fall:
Die meisten historischen Wertmarken aus der Zeit vor 1945 sind heute selten oder sehr selten, in der Regel macht man den langen Zeitraum seit der Außerkurssetzung dafür verantwortlich und die Tatsache, dass sie dann irgendwann einfach weggeworfen wurden. Gaststätten wurden aufgegeben oder umbenannt, Firmen wurden geschlossen, Inhaber starben oder das verwendete Markensystem hatte sich einfach „überlebt“. Daher ist heute das Auftauchen z.B. eines Nachlasses eines ganzen Markenbestandes aus der Zeit vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 oder gar vor dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 sehr selten.
Aber wie der zufällige Fund in der digitalen Ausgabe des Riesaer Tagesblattes vom 26. März 1918 zeigt, kann auch ein ganz anderer Grund für die Seltenheit oder gar die Nichtexistenz alter Marken vorliegen.
Markensammlern und vor allem Notgeldsammlern ist bekannt, dass es aufgrund von Materialmangel im Deutsche Reich nach 1914 im Verlauf des Ersten Weltkrieges u.a. nur noch zur Ausgabe von kommunalen und privaten Notmünzen, Kriegsgefangenenlagergeldmünzen und privaten Wertmarken aus Zink und Eisen kam, da die Buntmetalle (u.a. Kupfer, Messing und Nickel) ausschließlich für die Kriegsproduktion, u.a. für Kanonen- und Kartuschenmaterial, verwendet wurden.
Mit der Bekanntmachung Nr. M. 8/1, 18 der Kriegsrohstoffabteilung (K.R.A.), einer Behörde des Deutschen Kaiserreiches, deren Aufgabe in der Kriegswirtschaft die Beschaffung, Verwaltung und Verteilung der für die Industrie wichtigen Rohstoffe, war, wird u.a. die Beschlagnahme, die Enteignung und die Meldepflicht diverse Buntmetallobjekte geregelt. Durch ähnliche Regelungen im Zweiten Weltkrieg denkt man hier an tonnenschwere schwere Kirchenglocken oder Bronzedenkmäler, nicht aber an winzige und leichte Objekte.
Tatsächlich werden in der langen Liste der in Betracht kommenden Buntmetallobjekte unter Reihe 1, Laufende Nummer 19 auch Wertmarken aufgeführt:
Demnach wurden Marken aller Art, darunter u.a. Arbeiterkontrollmarken, Biermarken, Garderobenmarken, Spielmarken, Zahlmarken, Schlüsselmarken, Flaschenzeichen und Schlüsselzeichen erfasst und gegebenenfalls als Spende erbeten, beschlagnahmt oder enteignet. Selbst wer umfangreiche Nachlässe von derartigen Marken kennt weiß, das es sich in der Regel selbst bei Tausenden von Wertmarken am Ende nur um wenige Kilogramm Messing, Kupfer, Kupferlegierungen, Nickel, Nickellegierungen, Aluminium oder Zinn handelte.
Ob es tatsächlich zu solchen Maßnahmen kam und wie viele Wertmarten am Ende tatsächlich in den Schmelztiegeln der Kriegsproduktion gelandet sind, ist unbekannt, aber nicht ausgeschlossen. Die kaisertreue und patriotische Gesinnung mag manchen Gastwirt oder Fabrikbesitzer doch dazu verleitet haben ihre Markenbestände zu spenden, vor allem wenn sie nicht mehr aktiv verwendet wurden. Ob es wirklich zu Enteignungen solch geringer Metallmengen gekommen ist, darf bezweifelt werden.
Wie viele kleine andere Randbemerkungen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges ist aber auch diese Notiz ein besonderes erschütterndes Zeitzeugnis für den bedingungslosen Kriegeinsatz der Menschen an der sogenannten Heimatfront.
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