Werdohl: Drahtzieherei Kugel & Berg (Essenmarke)
(Nordrhein-Westfalen) WMF-Nr. 10312
Ein Beitrag von Michael Gnatzy und Bernd Thier
Kugel & Berg GmbH, Drahtzieherei- und Fussmatten-Fabrik, Werdohl
VS: * KUGEL & BERG *| Zierelement (stilisierte 5-blättrige Rose)| WERDOHL (im Randstab)
RS: * GUT FÜR *| 1 | * PORTION * (im Randstab)
rund / Messing / ø 21,1 mm / Stärke 1,19 mm / 3,1 g / Wendeprägung
Markentyp: Essenmarke
Hersteller: unbekannt
Datierung: um 1912/1920
Sammlung: T / Meldung: Michael Gnatzy / Bernd Thier
Literatur: Menzel (digitale Ausgabe 2018): / ; WMF (Hefte): /
Diese Wertmarke ist bisher in der Literatur unbekannt. Als Marke für 1 Porton (Essen) ist sie für eine Firma unüblich, denn meist werden von Industiebetrieben eher Getränkemarken ausgegeben. Vom Stil her würde man sie zunächst in das ausgehende 19. Jahrhundert datieren, immerhin wirbt die Firma Kugel & Berg in Firmenanzeigen damit, dass sie bereits 1861 gegründet wurde.
Die Firmengeschichte ist komplex, wie die gesammte Metallindustrie im Sieger- und Sauerland, und von einigen wenigen Familien über Generationen geprägt.
„1839 hatte Carl Theodor Berg ein Hammerwerk im Rahmedetal erworben, das zusammen mit dem 1851 gekauften Reckhammer in Eveking die Grundlage für die Firma Berg & Becker in Eveking bildete. Unternehmensziel war die Produktion von Messingwaren und -draht. Ab 1873 lautete der Firmenname Carl Berg, Eveking. In den 1890er Jahren wurde die Produktion erheblich ausgeweitet: Geschoßhülsen, Münzplättchen u.a. Produkte gaben dem Unternehmen eine breitere Grundlage. Carl Berg arbeitete mit den Erfindern David Schwarz und Graf Zeppelin bei der Entwicklung von Luftschiffen zusammen. Nach seinem Tode wurde die oHG 1906 in die Familien-AG Carl Berg AG umgewandelt.
1860 übernahmen Carl Berg und Moritz Kugel, Lüdenscheid, ein von Hugo Heinemann in Werdohl 1857 erbautes Werk und überführten es in die 1864 gegründete oHG Kugel & Berg, die Eisendrahtwaren herstellte. Kugels Söhne Carl und Rudolf heirateten Töchter von Carl Theodor Berg. Rudolf Kugel wurde 1885 Alleininhaber, nach seinem Tod ging der Betrieb auf Carl Berg über, 1915 endgültig zur Carl Berg AG. Im Jahre 1932 kam es zur Auflösung und zugleich zu einer Neugründung mit dem Ziel, Bandeisen herzustellen.“ (Quelle: Archive NRW)
Die beiden abgebildeten Werbeanzeigen von 1908 und 1912 nennen 1861 als Gründungsdatum und geben, neben der gesamten Produktpalette der Firma, für das Jahr 1908 an, das immerhin 200 Arbeiter beschäftigt sind. Wie damals üblich sind die Abbildungen der Fabrikgebäude in den Werbeanzeigen in der Regel übertrieben was die Anzahl und Größe der Fabikhallen und Schornsteine angeht, trotzdem ist die Firma Kugel & Berg um die Jahrhundertwende einer der größten Betriebe in Werdohl.
Wo aber, wie und wann wurde aber nun die beschriebene Marke verwendet? Als Essenmarke dürfte sie von den Arbeiteren in einer firmeneigenen Kantine, möglicherweise auf dem außerhalb von Werdohl gelegenen Firmengelände, Verwendunggefunden haben. Entweder konnten die Arbeiter die Marken zu günstigen Konditionen erwerben oder es wurden möglicherweise auch Teile der Lohnzahlungen in der Form dieser Marken ausgegeben. Quellen liegen hierzu leider z.Z. nicht vor.
Bei der Internetrecherche ergab sich allerdings ein Hinweis, der auf die Verwendung an einer anderen Stelle, direkt in Werdohl hinweisen könnte. Hier soll ein spannender Artikel von Peter Schmeinta über das Ledigenheim der Firma Kugel & Berg zitiert werden:
„Die Struktur der ehemals ländlichen Gemeinde Werdohl änderte sich mit der Fertigstellung der Ruhr-Sieg-Eisenbahn 1861 wesentlich. Werdohl war ab jetzt für Industriebetriebe als Standort von Fabriken attraktiv geworden, und diese prägende Zeit spiegelt sich in der heutigen Industriestadt noch immer wieder. Durch das Wachstum der Industrie wurde immer mehr Wohnraum für die Arbeiter benötigt, und so wurde 1901 eine gemeinnützige Baugenossenschaft gegründet: Werdohler Industrielle erkannten das Wohnproblem und taten sich zusammen, um ein Ledigenheim zur Unterbringung unverheirateter Arbeiter zu finanzieren. 1910 wurde der Bau in Auftrag gegeben, und 1912 konnte Richtfest gefeiert werden.
Das Gebäude besteht auch heute noch gänzlich aus heimischer und hammerrecht gemauerter Grauwacke mit feuer- und schallsicheren Betondecken und war seiner Zeit eine hochmoderne und höchst soziale Einrichtung. Es enthielt 92 Zimmer zu ein, zwei und drei Betten. Insgesamt konnte es so 145 Arbeitern als Wohnraum dienen. Jedes Zimmer war mit einer Zentralheizung sowie elektrischer Beleuchtung, einem Tisch und einem abschließbaren Schrank für jeden Bewohner und einer Wascheinrichtung mit fließendem Wasser ausgestattet. Im Erdgeschoss befand sich damals ein großer Speisesaal, dessen sieben große Fenster aus farbigem Glas mit der Darstellung verschiedener Zünfte und Wissenschaften noch immer erhalten sind. Der ehemalige Speisesaal wird heute als Sitzungsraum des Rates der Stadt Werdohl genutzt. Ein Lesesaal sowie die Küche, die mit einer Dampfkochanlage ausgestattet war, waren ebenfalls im Erdgeschoss untergebracht. Im Kellergeschoss befand sich eine Badeanstalt, welche aus Wannen-, Brause- und Dampfbädern bestand, sowie eine maschinelle Waschanstalt. Beide Einrichtungen konnten auch von Nicht-Bewohnern des Heimes genutzt werden. Zu dem eigentlichen Gebäude gehörte zudem noch eine große Wiese, die wohl unter anderem als Fußballplatz genutzt wurde. Das gesamte Projekt kostete die gemeinnützige Baugesellschaft 180.000 Mark. Das Ledigenheim wurde dann für eine kurze Zeit umfunktioniert und diente der Firma Kugel & Berg als Bürogebäude, bis es 1927 von der Gemeinde Werdohl aufgekauft wurde. Als Werdohl schließlich am 19. April 1936 vom Oberpräsidenten der Provinz Westfalen das Stadtrecht erhielt, wurde das ehemalige Ledigenheim, welches bis dahin für die Gemeinde Werdohl als Amtshaus diente, offiziell zum Rathaus ernannt.
Im Jahre 1975 wurde ein Neubau errichtet, der durch einen Verbindungsgang mit dem Altbau verbunden ist. Im Verbindungsgang zwischen Alt- und Neubau ist der originale Wappenstein aus der ehemaligen Burg Pungelscheid mit dem Wappen der Neuhoff-Bottlenberg eingemauert. Erwähnenswert bleibt ebenfalls, dass das Werdohler Rathaus seit dem 1. September 1982 unter Denkmalschutz steht.“ (Quelle: Regionalreport Siegerland)
Daher ist es denkbar, dass die Wertmarke entweder nur oder eben auch zwischen etwas 1912 und bis spätestend 1927 in Ledigenhaus bzw. Verwaltungsgebäude der Firma Kugel & Berg in Werdohl (Goethestraße 51 / heute Rathaus der Stadt Werdohl) verwendet wurde, in dem es eine Küche und einen großen Speisesaal gab.
Der Hersteller der Marke ist noch unbekannt. Nicht auszuschließen ist, dass sie sogar firmeninteren produziert wurde, die technischen Möglichkeiten waren vermutlich gegeben, allerdings gab es in der Umgebung von Werdohl zahlreiche Prägefirmen, so in Lüdenscheid, Iserlohn und Menden, in denen sie gefertigt worden sein könnte.
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