Warenbezugsmarken des Zeppelin-Geschicklichkeits-Schleuderautomaten
Beitrag von Bernd Thier (WMF Nr. 10376) (Korrektur zu zu Menzel Nr. 3169.1-10)
Die relativ häufigen Spielmarken des bekannten Zeppelin-Schleuderautomaten sind den meisten Markensammlern bekannt, auch deren genau Datierung und Verwendung. Vielen Sammlern aus anderen Bereichen (z.B. der Luftfahrgeschichte) und auch einigen Münzhändlern ist dieses Wissen bisher offenbar nicht zugänglich. Oft werden dieses Stück fälschlich als Wertmarken der Kantine oder – wegen der eigeschlagenen Kontrollnummern – als Werkzeugmarken der Arbeiter der Zeppelin-Werft in Friedrichshafen bzw. sogar als Wertmarken aus dem Bordrestaurant der von Ferdinand Graf von Zeppelin entwickelten Zeppelin-Luftschiffe angesprochen und zu relativ hohen Preisen angeboten. Hierauf wies schon das WMF Heft 4 1997 hin.
Daher sollen nachfolgend die wichtigsten Informationen, vor allem nach dem Marken-Lexikon von Wolfgang Hasselmann, zusammengefasst werden, in dem sich allerdings auch einige falsche Informationen eingeschlichen haben. Herrn Jörg Wagner (Webseite Alte Spielautomaten) sei für zahlreiche Hinweise gedankt :
WMF Nr. 10376
VS: WERTMARKE | ZEPPELIN (über und unter einem Halbbogenstrich, der optisch einen immaginären Kreis bildet) (im Perlkreis im Stabrand)
RS: eingeschlagene Kontroll-Nummer (hier 2879) (über und unter einem Halbbogenstrich, der optisch einen immaginären Kreis bildet) (im Perlkreis im Stabrand)
rund / Zink, vernickelt/ ø 22,1 mm / Stärke 1,75 mm / Wendeprägung
Markentyp: Spielautomatenmarke, Gewinnmarke, Warenbezugsmarke
Hersteller: unbekannt
Datierung: Herstellung ca. 1907 bis 1909
Sammlung: BT / Meldung: Bernd Thier
Verfügbarkeit: diese Marke stände als Tauschobjekt zur Verfügung, Anfrage bitte unter info@wertmarkenforum.de
Literatur: Menzel (digitale Ausgabe 2018): Nr. 3169.1-10 ; WMF (Hefte): vgl. Heft 4 1997 (Titelseite)
Menzel führt mehrere Typen dieser Marke auf, u.a. auch mit den Werten 10, 20 und 150 Pfennig sowie als Varianten Kehr- und Wendeprägungen sowie Stücke aus Messing, mit denen es eine besondere Bewandnis hat, auf die noch zurück zu kommen sein wird. Er verweis als Herausgeber auf die Firma Giese & Co., Berlin, was sich inzwischen als nicht korrekt erwiesen hat.
Der „Zeppelin“ Schleuder-Automat
Wolfgang Hasselmann wies die Marken aus Unkenntnis fälschlicherweise der renomierten Automatenfabrik Giese & Co. in Berlin (Luisen-Ufer 22) zu, die ab etwa 1927 den Geldspielautomaten „Zeppelin“ auf den Markt gebracht, der jedoch ohne Gewinnmarken sondern mit 10 Pfennig-Münzen als reiner Balancier-Automat funktionierte.
Der ältere „Zeppelin-Schleuderautomat„ wurde zwischen etwa 1907 und 1909 von einer bisher unbekannten Firma als hängender Wandautomat in zwei Ausführungen (mit einer Stadtansicht – vgl. Abb. – und mit einem Alpenpanorama) hergestellt.
Derartige Geschicklichkeits-Automaten schütteten als Gewinn sogenannte Warenbezugsmarken aus, die vom Wirt o. a. stets nur in Ware wie z.B. in Bier, Schokolade, Zigarren usw., nicht aber gegen Bargeld einzulösen waren. Um eine Übervorteilung des Spielers zu verhindern, wurde es gesetzlich vorgeschrieben, dass die Gewinnausgabe nur in der Form von Warenbezugsmarken zu erfolgen hatte. Diese Marken konnten nicht, wie die Freispielmarken als weiterer Spieleinsatz verwendet werden.
Die exakte Spielanleitung ist auf einem Emailschild am Automaten angebracht und erläutert exakt die Verwendung der Marken.
Die Warenbezugsmarken
»… Nach Einwurf von 5 Pfg. ist das Geldstück durch Hebeldruck in die Höhe zu schleudern und dann mit dem durch den unteren Knopf beweglichen Luftschiff aufzufangen. In diesem Falle erhält man eine 10 Pfg.-Wertmarke, während das Geldstück beim Überschleudern zu neuem Wurfe wiederkommt. Danebenfallendes Geld gilt als verloren.«
Eine andere (vermutlich etwas jüngere) Anleitung ergänzt: „Jede 25. Marke ist eine gelbe = Messing im Werte von 30 Pfennig“. Diese seltenen Messingausführungen haben daher eine besondere Bedeutung und einen deutlich höheren Gewinnwert, das erklärt auch die unterschiedlichen Wertangaben auf den im Durchmesser identischen Marken (10 zu 30 Pfennig). Die Marken mit 150 Pfennig scheinen daher deutlich jünger und ebenfalls einen besonderen Gewinn zu kennzeichnen.
Einen Gewinn – und somit eine Marke – zu bekommen erfordert viel Übung und Geschicklichkeit, wie ein Film mit einem Nachbau des Automaten zeigt.
Die Kontrollnummern
Die eingepunzten Ziffern auf Automaten-Marken dienen dem Wirt zur Kontrolle, daß die gegen Ware einzulösende Marke auch aus dem von ihm aufgestellten Automaten stammt. Bei der Aufstellung des Gerätes werden ihm vom Fabrikanten, mit der Lieferung der Warenbezugsmarken, zugleich festgelegte Zahlengruppen zugeordnet, z. B. 100– 299, in diesem Falle erscheint jede Nummer nur einmal auf den Marken. Anders verhält es sich, wenn dem Wirt ö.ä. nur eine Nummer zugewiesen wird, z.B. 565, dann können mehrere Marken mit der gleichen Kontrollnummer auftreten.
Einer Webeanzeige aus dem Jahr 1907 zum Verkauf des Automaten ist zu entnehmen, das der Automat mit 100 „Nickelmarken“ 90 Mark kostete. Zusätzliche Marken wurden zu folgenden Preisen angeboten:
100 Marken aus Nickel ohne Nummer: 4,00 Mark
100 Marken aus Nickel mit Nummer: 4,50 Mark
100 Marken aus Messing ohne Nummer: 5,00 Mark
100 Marken aus Messing mit Nummer: 5,50 Mark
Bisher sind keine Marken aus – realtiv teurem – Nickel bekannt geworden, die erwähnten „Nickelmarken“ bestehen tatsächlich Zink und sind nur vernickelt.
Das Verbot der Glückspielautomaten
1909 kam es zur Einstufung zahlreicher Geschicklichkeits-Spielautomaten in Glücksspiel-Automaten und damit gewissermaßen zu deren Verbot. Denn diese Geräte wurden mit hohen Steuern belegt, die einen Betrieb unrentabel machten. Die Folge dieser staatlichen bzw. kommunalen Restriktionen war das »Automatensterben«, d. h. der größte Teil der auf dem Markt befindlichen Geschicklichkeits-Spielautomaten und Musik-Automaten verschwanden oder wurden verboten.
1919 kam es zu einem Wiederaufbau der Automaten-Industrie, bis 1927 weitere Restriktionen eingeführt und 1933 das Geschicklichkeits-Automatenwesen generell verboten wurde. Die Aufstellung der Zeppelin-Schleuderautomaten und somit auch die Verwendung der Spielmarken erfolgte allerdings nach 1910 wohl nicht mehr.
Die heute noch zahlreich erhaltenen Exemplare der beschriebenen Warenbezugsmarken belegen die ehemals vermutlich weite Verbreitung der im Gegenzug heute extrem raren Zeppelin-Automaten aus der Zeit von 1907 bis 1909 und der damit ausgegebenen Marken.
Natürlich habe die Marken einen direkten Bezug zur Bekanntheit der Zeppelin-Luftschiffe, deren erster Start des ersten Modells (LZ 1) im Jahr 1900 für großes Aufsehen sorgte. Die Spieleentwickler der bisher unbekanntern Herstellerfirma nahmen das sensationell neue Luftgefährt rasch ins Programm ihrer erfolgreichen Spielautomaten.
Die Marken wurden daher nicht im Zeppelinwerk in Friedrichshafen oder in den Zeppelinen verwendet, es sei denn, auch dort hätten findige Geschäftsleute zwischen 1907 und 1909 Zeppelin-Spielautomaten aufgestellt.
Literatur:
Wolfgang Hasselmann: Marken und Zeichen Lexikon. Lexikon für die im deutschsprachigen Raum aus Metall geprägten Marken und Zeichen in 4 Bänden (erschienen als PDF auf CD), hier Band 1, S. 77-84, 1484, 1561-1562 und Band 3, Tafel 84.
Die Links auf dieser Seite können nicht alle regelmäßig kontrolliert werden. Sollten Sie einen funktionslosen Link finden würde ich mich über einen Hinweis unter info@wertmarkenforum.de freuen.
Schlagworte: AutomatenmarkeBerlinFriedrichshafenGewinnmarkeKontrollnummerSchleuderautomatSpielautomatenmarkeWarenbezugsmarkeZeppelin