München: Hofbäckerei Anton Seidl (Brotmarke nach einem Künstlerentwurf von Rudolf von Seitz)

Beitrag von Bernd Thier (WMF-Nr. 10372 / Ergänzung zu Menzel Nr. 38710.1 / Ausgabeort ermittelt) (Bayern)

Foto: Bernd Thier

Königlich bayerischen Hofbäckerei von Anton Seidl, Theatinerstraße 33, München, gegründet 1799

VS: Anton | Seidl (in einem aufwändigen Zierornament, unten mit einer Krone, an dem ein Bretzel hängt) (im Perlkreis im Stabrand)
RS: ∗ GUT FÜR ∗ | 1 | BROD
(im Perlkreis im Stabrand)
rund / Messing / ø 22,6 mm / Stärke 1,02 mm / Wendeprägung
Markentyp: Brotmarke

Hersteller: unbekannt
Datierung: um 1880/1890
Sammlung: BT / Meldung: Bernd Thier
Verfügbarkeit: diese Marke stände als Tauschobjekt zur Verfügung, Anfrage bitte unter info@wertmarkenforum.de
Literatur: Menzel (digitale Ausgabe 2018): Nr. 38710.1 (ohne Ortszuweisung)/ ; WMF (Hefte): /

Die Zuordnung der Marke nach München

Die Bestimmung von Marken ohne Ortsangabe ist immer aufwändig und oft von Zufällen abhängig. Peter Menzel für diese Marke bereits auf, ohne jedoch den Ausgabeort ermitteln zu können. Der angegebene Name Anton Seidl ist leider weit verbreitet und auch die Kombination mit dem Stichwort Brod (Brot) ergab bei der Internetrecherchen zunächst zu viele unspezifische Treffer. Dann gab jedoch der Deutsche Reichs-Anzeiger von 1893 einen entscheidenden Hinweis:

aus: Sechste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger Nr. 74, Berlin, Montag 27. März 1893

Der Hofbäckermeister Anton Seidl aus München ließ in jenem Jahr ein bereits Jahre zuvor eingereichtes Patent für eine Verfahren und einen Ofen zur Herstellung von Backwaren ergänzen. Sollte dieser Bäcker Seidel der Herausgeber der beschriebenen Wertmarke sein? In der Kombination von „Anton Seidel Hofbäckermeister München“ lieferte das Internt nun mehr Information als man erwarten konnte. Nicht nur die Zuweisung der Marke gelang eindeutig, sondern darüber hinaus ergaben sich Hinweise auf die Gestaltung des aufwändigen Firmensignets und den beteiligten Künster.

Die Hofbäckerei Anton Seidl in München

Um 1799 eröffnete ein Bäcker Namens Seidel in München eine Bäckerei. Anton Seidl senior (1806–1869), ein Sohn des Gründers, führte den Betrieb bis zu seinem Tod. 1869 übernahm dessen ältester Sohn Anton Seidl junior (1844–1898) den Bäckereibetrieb und baute ihn nach und nach aus. 1876 wurde ihm von König Ludwig II. von Bayern der Titel Königlich Bayerischer Hoflieferant verliehen.

Er war ein angesehener Bürger der Stadt München, Mitglied des Magistrats sowie ein kunstsinniger und leidenschaftlicher Sammler von Kunstgegenständen. In seinem Hause verkehrten die angesehensten Künstler der Stadt, wie die Maler Moritz von Schwind und Wilhelm Kaulbach, der Erzgießer Ferdinand von Miller und auch der Kunstgewerbler Franz Seitz (Quelle: Gerti Fluhr-Meyer, Gabriel von Seidl – Gründer des Isartalvereins, in: Berichte der Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege 22, 1998, S. 5–14.)

Das Signet der Hofbäckerei von Rudolf Seitz

Dieser Rudolf (von) Seitz (1842–1910) war auch Maler und Zeichner. Im Jahr der Ernennung zum Hoflieferanten 1876 fertigte er ein aufwändiges Deckengemälde im Ladengeschäft der Bäckerei Seidl, das allerdings bereits 1881 durch Brand zerstört wurde.

Vignette der Hofbäckerei Anton Seidel, Entwurf Rudolf von Seitz um 1880, Druck auf Papier, um 1900/1910, Höhe ca. 5,4 cm, Privatbesitz

Man kann davon ausgehen das etwa um dieselbe Zeit Seitz auch das neue Firmensignet (Logo) der Hofbäckerei entwarf, da es einen mit der Königskrone verzierten Bretzel zeigt. Die Aufmachung mit einer Kettenaufhängung erinnert an einen eisernen oder bronzenen Ladenschildausleger, wie er in der Gründerzeit in Deutschland weit verbreitet war und vermutlich über dem Eingang zur Bäckerei hing. Die Darstellung findet sich nicht nur auf verschiedenen Werbevignetten der Zeit um die Jahrhundertwende sondern sogar noch auf Notgeldscheinen der Bäckerei aus dem Ersten Weltkrieg vom 15. April 1917.

Exakt dieses von Rudolf von Seitz entworfene Signet findet sich nun auch auf der Brotmarke. Sie ist daher nach 1876 gefertigt worden. Da das Word BROD noch mit D statt T (Brot) geschrieben ist, muss sie vor der einschneidenden Rechtschreibreform von 1901, vermutlich in den 1880er oder 1890er Jahren entstanden sein. Ob die Marke nun „nur“ intern innerhalb der Bäckerei, z.B. zum Bezug von Brotdeputaten verwendet wurde oder auch an Kunden der Bäckerei, z. B. als Rabattmarke oder Sondergratifikation, ist nicht bekannt.

Die berühmte Prinzregententorte

Bei der Recherche ergab sich eine Anekdote am Rande: Der Name des Bäckers Anton Seidel ist eng verbunden mit der berühmten Prinzregententorte. „Sie wurde zu Ehren Luitpolds von Bayern benannt, der ab 1886 Prinzregent im Königreich Bayern war. Die Frage, wer die Torte erstmals kreiert hat, ist bis heute umstritten. Der Hofkonditor Heinrich Georg Erbshäuser war wohl der Urheber. Johann Rottenhöfer, der immer wieder als Erfinder genannt wird, starb bereits davor, im Jahre 1872. Der Bäcker Anton Seidl kreierte sein Backwerk aber erst zwei Jahre nach Heinrich Georg Erbshäuser 1888.

Angelehnt an die Dobostorte, eine ungarische Schokoladentorte mit neun Böden, versuchte er eben die neue Prinzregententorte herzustellen. Jeder Boden stand für eines der Kinder Ludwigs I.

Laut der Familienchronik der Seidls hat die Torte sehr schnell Verbreitung gefunden und wurde auch in anderen Konditoreien angeboten. Es soll eine schriftliche Genehmigung des Prinzregenten gegeben haben, die Schokoladencremetorte „Prinzregententorte“ nennen zu dürfen, diese ist aber verloren gegangen. Für die Herstellung der Prinzregententorte wurde er vom Prinzregenten mit dem Titel Kommerzienrat geehrt. In alten Anzeigen und in der Festschrift zum 125-jährigen Bestehen wird die Torte nicht erwähnt.“ (Quelle: Wikipedia)

Suchbegriffe: Anton Seidl Gut füt 1 Brod

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Bernd Thier | 3. April 2021


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