Eine Wertmarke des Konsumvereins Mittella in Wien

Ein Beitrag von Johann Kodnar (WMF-Nr. 10302)

Der Konsumverein Mittella (Kurzform für „Zentrallebensmittellager der Wiener Staatsangestellten“) wurde 1918 aufgrund einer Verordnung des Amtes für Volksernährung gegründet. Die Zentrale befand sich im 7. Wiener Gemeindebezirk in der Karl Schweighofergasse 3.

Die Mittella stand anfangs nur Staatsbediensteten offen und hatte die „Erleichterung der Lebensführung“ dieser Gruppe zum Zwecke. Auszug aus der Geschäftsordnung:
„Anspruch auf Aufnahme in den Lebensmittellagerbetrieb haben alle aktiven und pensionierten Staatsbediensteten sowie deren im Genusse staatlicher Versorgungsgebühren stehenden Hinterbliebenen, ferner alle Betriebsbediensteten.“

Ab 1920 öffnete man das Angebot – auf Geheiß des Amtes für Volksernährung – zusätzlich auch für die Militärgagisten (ehemalige Berufsoffiziere und Berufsunteroffiziere), die Waga (Warenabgabestelle österreichischer Militärgagisten) ging in der Mittella auf. Und schließlich für die Mitglieder des gesamten „bürgerlichen Mittelstandes“, worunter laut Definition neben den Staatsbediensteten auch Angehörige der freien Berufe wie Advokaten, Ärzte, Architekten, Ingenieure, Künstler, etc. fielen.

Die Mittella unterhielt in Wien ca. 20 Lebensmittelfilialen, in denen die Mitglieder „reichhaltige Warenvorräte“ zu „billigen Preisen“ vorfanden. Die Mitgliedschaft erwerben konnte man vor Ort in den Filialen selbst, die sich fast lückenlos über die Bezirke 1 bis 19 verteilten.

Neben dieser für Konsumvereine typischen Warenlagerfunktion hatte die Mittella zwei weitere Standbeine: In sogenannten Speisegemeinschaften wurden Mitgliedern warme Mahlzeiten zu günstigen Preisen offeriert. Auszug aus einer Annonce aus dem Jahr 1922:
„A Menü (Suppe, Fleisch mit Beilage, Mehlspeise)  400 K
B Menü (Suppe, Mittelgang ohne Fleisch, Mehlspeise) 260 K
Gemischtes Abonnement (dreimal A-, dreimal B-Menü) wöchentlich 1980 K
Außerdem billige Extraspeisen.“

Des weiteren betrieb man in den Bundesländern für die Mitglieder Erholungsheime.

1922 kam es zu einer Umwandlung der Mittella in eine private Aktiengesellschaft. Das Aktienkapital betrug zunächst 60 Millionen Kronen. Nach Kapitalerhöhungen 1923 und 1924 stieg es zuerst auf 150 und später auf 400 Millionen Kronen. Dieser Trend zur Umwandlung in Kapitalgesellschaften erfasste damals auch andere Konsumvereine wie die „Stafa“, die sich 1922 ebenfalls in eine Aktiengesellschaft wandelte (wobei 2/3 der Anteile an die ehemaligen Konsumgenossenschafter gingen).

Bei der Aktienausgabe der Mittella wurden die Staatsbedienstete bevorzugt behandelt:

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Auszug aus der „Österreichischen Wehrzeitung“ vom 18. August 1922

Diese Bevorzugung der Staatsbediensteten wurde „aufgrund des geringen Interesses“ bei der ersten Emission“ bei den bald darauffolgenden Kapitalerhöhungen nicht weiter verfolgt.

Ein Auszug aus der „Österreichischen Wehrzeitung vom 19. September 1922 gibt einen guten Überblick über den Geschäftsumfang der Mittella zum Zeitpunkt der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft:

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Auszug aus der Österreichischen Wehrzeitung vom 19. September 1922

Mit Umgründung in eine AG wurde der ursprüngliche Vereinszweck, also die Begünstigung von Staatsbediensteten nicht aufgehoben, sondern offiziell weiter verfolgt, wenngleich es diesbezüglich zu kritischen Stimmen in der Presse kam:

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Ausschnitt aus der Reichspost von 31. Jänner 1924

Im Laufe der weiteren Jahre trat nun der Hotelbetrieb immer mehr in den Vordergrund, wenngleich auch 1930 noch 15 Speisehäuser in Wien betrieben wurden. Die Mitella firmierte nach außen hin nun zunehmend als „Hotel Aktiengesellschaft Mittella“. bzw. als „Alpenländische Hotelgesellschaft Mittella“.

Im Jahr 1934 berichteten die Medien über Zahlungsschwierigkeiten und Zahlungsaufschübe bei Gläubigern. Der offizielle Grund: Ausbleibende und wenig ausgabefreudige Fremdenverkehrsgäste in den Hotelbetrieben und ein Personalüberschuss in den Wiener Küchenbetrieben. Im selben Jahr wurden von der Mittella AG alle Wiener Küchenbetriebe abgestoßen. Einige dieser Betriebe traten nach außen hin trotzdem noch über einige Jahre unter dem Namen in der Öffentlichkeit mittlerweile geläufigen Namen „Mittella“ auf.

1935 wurde der Ausgleich über die Mittella AG eröffnet, der 1936 im Konkurs und mit der Auflösung des Unternehmen endete.

Von der Mittella wurden bisher keine Wertmarken in der Literatur angeführt. Derzeit sind neben der hier abgebildeten Marke zu „1/2 Liter“ keine weiteren Werte bekannt.

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Foto: Johann Kodnar

VS: MITTELLA (im Perlkreis im Stabrand)
RS: ½
| LITER (im Perlkreis im Stabrand)
rund / Zink / ø 23,0 mm / Stärke 1,0 mm / Wendeprägung
Markentyp: Wertmarke / Biermarke (?)

Hersteller: unbekannt
Datierung: zwischen 1981 und 1936, wohl um 1920
Literatur: Menzel (digitale Ausgabe 2014): / ; WMF (Hefte): /

Suchbegriffe: Mittella

Zum Abschluss noch ein zeitgenössischer Witz zur Mittella:
„Klein-Lilli geht mir ihrer Mutter an einem Speisehaus der Mittella A. G. vorüber und fragt: ‚Mutterle, was ist das?‘
‚Restaurant Mittella!‘
‚Warum, Mutterle, in den anderen Restaurants muß man die Teller mitbringen?‘

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12. August 2018

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