Ein nackter Hintern auf einer Notmünze aus Crailsheim von 1918
Eine kuriose Begebenheit aus der Stadtgeschichte von Crailsheim in Baden-Württemberg – die jedoch fast kaum zu erkennen ist – erscheint auf verschiedenen Ausgaben der Notgeldmünzen aus dem Jahr 1918.
Auf der Rückseite der Münzen ist, über den Stadtwappen, eine mittelalterliche Belagerungsszene abgebildet. Landsknechte mit Helmbarten, Pieken und Fahnen schauen zur Stadtmauer.
Selbst wenn man sehr genau hinschaut und einen winzigen nackten Hintern auf der Stadtmauer erkennt, offenbart sich die Geschichte dahinter dem Betrachter kaum.
Interessanterweise wurden schon damals Postkarten im Waldau-Verlag Stuttgart gedruckt, möglicherweise im Auftrag der Stadt Crailsheim, auf denen die ganze Geschichte erzählt wird:
Ob diese Anekdote aus der Stadtgeschichte rund um die Belagerung von Crailsheim durch Truppen der frünkischen Reichsstädte 1379 tatsächlich so passiert ist, lässt sich wohl kaum überprüfen. Spannend ist aber, dass sie so lange überliefert wurde und in der Kriegszeit 1918 ihren Weg auf Notmünzen gefunden hat. Ähnliche Geschichten sind auch von anderen Belagerungen bekannt und dürften vermutlich eher in den Bereich der Sagen und Legenden fallen.
Wikipedia berichtet zu dieser Sage folgendes:
Der schwäbische Städtebund und die Horaffensage
Im Jahr 1376 schlossen sich verschiedene Städte im Schwäbischen Städtebund gegen Kaiser Karl IV. zusammen, der sie hart auspresste und aufgrund seiner Raffgier auch „des deutschen Reiches Stiefvater“ genannt wurde. Unterstützung erhielt er dabei u. a. von Kraft IV. von Hohenlohe. Nach wechselseitigen Plünderungen und Brandschatzungen zogen die zum Schwäbischen Städtebund gehörenden Reichsstädte Schwäbisch Hall, Rothenburg und Dinkelsbühl im Herbst 1379 vor der in hohenlohischem Besitz stehenden Stadt Crailsheim auf und belagerten sie, bis sie erfolglos am 17. Februar, dem Mittwoch vor Estomihi, des Jahres 1380 abziehen mussten. Soweit sind die Vorgänge historisch belegt.
Es wird gern erzählt, dass die eingeschlossenen Crailsheimer – vor allem die Crailsheimerinnen – nach Monaten der Belagerung, die sie zermürbt hatte, zu einer letzten List griffen, um die Stürmung der Stadt abzuwenden. Die Frauen sammelten das letzte noch vorhandene Mehl, buken daraus die in ihrer Form unverkennbaren Horaffen (= „Horn offen“) und warfen sie über die Stadtmauer. Gleichzeitig bestieg die Bürgermeistersgattin, eine Frau, deren Ausmaße das noch entfernte Barockzeitalter kraftvoll vorwegnahmen, mutig die Stadtmauer und zog blank: Sie streckte den Angreifern ihr wuchtiges Hinterteil entgegen, dessen Konturen von unten, aus der Sicht der Belagerer, denen der Horaffen glichen. Die Reichsstädter erschraken gar sehr ob der nackten Leibesfülle und fürchteten nun, dass alle eingeschlossenen Crailsheimer so wohlgenährt wie des Bürgermeisters Gattin seien und es daher noch lange brauchen würde, die Stadt auszuhungern. Da die von den Städten eingesetzten Söldnerheere große Summen verschlangen, sah man sich angesichts dessen zum Abzug genötigt. Die Crailsheimer feiern seit damals den Mittwoch vor Estomihi als Stadtfeiertag (2016 am 3. Februar), an dem die Schüler der Crailsheimer Schulen je einen Horaffen von den Crailsheimer Bäckereien geschenkt bekommen.
Eine andere Deutung des Horaffengebäcks geht auf die Frau Krafts II. von Hohenlohe, Adelheid von Württemberg, zurück. Sie soll ihren Wohnsitz auf der Schönebürg bei Goldbach (daher dort wohl die Straße Adelheidsruh bzw. die Adelheidstraße gegenüber vom Volksfestplatz) gehabt haben und oft über das Ansbacher Tor nach Crailsheim gefahren sein, das sich vor ihr von selbst aufgetan habe. Sie soll eine Seelstiftung in der Johanneskirche angelegt haben, auf die sich die Horaffen als sog. Seelgebäck beziehen, und hat wohl der Stadt Crailsheim Felder, Wiesen und Wälder sowie Fischteiche vermacht, die dadurch zur Allmende wurden.
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