Brotmarken und Notmünzen der Stadt Münster aus der Kriegs- und Nachkriegszeit 1915-1923

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Foto: Bernd Thier

Beitrag von Bernd Thier

Brotmarken in Metallform sind bereits seit dem Mittelalter bekannt, u.a. in der Armenfürsorge. Ihr Besitzt berechtigte z.B. zum Empfang verbilligter oder kostenloser Mehl- bzw. Brotausgaben. In Münster gab z.B. Fürstbischof Friedrich Christian von Plettenberg in der Phase einer extremen Lebensmittelteuerung 1699 derartige Marken für arme Bürger der Stadt heraus.

Brotmarken

Im Ersten Weltkrieg wurden ähnliche Wertzeichen zur Kriegsfürsorge und als Instrumente der Zwangsbewirtschaftung herausgegeben. Sie sollten eine gleichmäßige und gerechte Versorgung der Bevölkerung während der kriegsbedingten Verknappung von Lebensmitteln und anderen Versorgungsgütern, z.B. Brennstoffe oder Kleidung, dienen.

Erste kriegsbedingte Engpässe in der Nahrungsmittelversorgung gab es schon im ersten Kriegswinter 1914/1915. Da viele Bauern und Landarbeiter zum Kriegsdienst einberufen worden waren, trat ein deutlicher Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion ein. Gleichzeitig gingen die Getreideeinfuhren aus dem Ausland zurück. Erste Gesetze und Verordnungen setzten umgehend Höchstpreise für Nahrungsmittel fest, Getreide wurde beschlagnahmt, Brot und Mehl rationiert.

Der Bedarf, der jedem Einwohner zur Verfügung stehen sollte, war sehr unterschiedlich und variierte von Ort zu Ort. Im Durchschnitt wurden zwischen 250 g Brot pro Tag und Person bis zu 2 kg Brot pro Woche bewilligt. Seit Februar bzw. März 1915 wurden daher fast in allen Städten und Gemeinden Brotkarten ausgegeben, zu deren Ausgabe spezielle Verteilstellen eingerichtet wurden. Jeder Bewohner erhielt eine Stammkarte und entsprechende Brotkarten über eine bestimmte Menge Brot oder Mehl. Diese wurden beim Einkauf einbehalten. Waren sie aufgebraucht konnte man keine weiteren Rationen erwerben. Über beschränkte Laufzeiten der meist aus Papier gefertigten Karten wollte man verhindern, dass es zu Fälschungen und ungerechten Verteilungen kam.

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Brotmarke Bezirksverband Glauchau mit der Wertangabe 7, Eisenblech, einseitig, Dm 27,0 mm, o.J. (1915) (Menzel. Nr. 11342.21), (Privatbesitrz), Foto: Bernd Thier

In Münster ging man einen anderen Weg: Es wurden wiederverwendbare Metallmarken gefertigt, die des außer in Münster lediglich in Glauchau, Halle an der Saale, im Saalkreis, im Kreis Eckartsberga, in Aschersleben, in St. Ingbert sowie für die Stadt und den Landkreis Mainz gab. In Hamm gab es ähnliche Marken für den Bezug von Kartoffeln.

Münster hatte zu diesem Zeitpunkt ca. 90.000 Einwohner, der Magistrat bewilligte pro Tag 250 g Brot je Person, das entspricht ca. vier bis fünf große Brotscheiben. Die Rationen für Schwangere, Kranke und Schwerstarbeiter waren leicht erhöht, sie erhielten zusätzliche Marken. Wie in anderen Städten waren auch weitere Lebensmittel und Versorgungsgüter rationiert, so gab es Papier-Bezugsmarken für Kohle, Briketts, Brennspiritus, Reis, Kartoffeln, Vollmilch, Butter, Kriegskost (Suppe), Fleisch und Zucker.

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Verschiedene Bezugsscheine der Stadt Münster, Papier, einseitig, o.J. (1915-1921), (Privatbesitz), Foto: Bernd Thier

Die Metallbrotmarken waren in der Anschaffung zunächst zwar teuerer, konnten dafür aber immer wieder verwendet werden. Die Handhabung und Abrechnung mit den Bäckern und Händlern gestaltete sich deutlich einfacher.

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Brotmarken der Stadt Münster zu 25g, 250, 1250 und 2500 g Brot, Eisenblech, einseitig, Hohlprägung, o.J. (1915-1920), Dm 23,1, 27,0,  35,1 und 39,8 mm (Privatbesitz), (Menzel Nr. 22666.1-4), Foto: Bernd Thier

Die erste Brotmarkenausgabe fand am 13. März 1915 in 58 Brotmarkenbezirken statt, die zwischen 300 und 2250 Bezugspersonen umfassten. Es wurden drei verschiedene Marken verwendet, für 1250 Brot = 1000 g Mehl, für 250 g Brot = 200 g Mehl und für 25 g Brot.

Schon bei der zweiten Ausgabe am 29. März wurden zusätzlich Marken für 2500 g Brot ausgegeben, die jedoch nicht zum Bezug von Mehl berechtigten. Die Herstellung dieser Marken erfolgte in sehr großen Stückzahlen in der Metallwarenfabrik Berg & Nolte in Lüdenscheid: 118 000 Stück zu 2500 g, 318 500 Stück zu 1250 g, 568 900 Stück zu 250 g und 550 500 Stück zu 25 g Brot. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 10,- / 7,50/ 4,75 und 3,- Reichsmark für je 1000 Stück. Waren die Marken zu 100 Stück an Bindfäden aufgereiht, betrugen die Kosten pro 1000 Stück 50 Pfennig mehr Insgesamt wurden für ca. 11000 Reichsmark Marken in Lüdenscheid hergestellt.

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Brotmarken der Stadt Münster zu 25g und 250 g Brot, Pappe, einseitig, o.J. (1915), Dm 19,1 und 35,1 mm (Privatbesitz), (Menzel: / ), Foto: Bernd Thier

Bereits bei der zweiten Ausgabe kam es zu Engpässen, so dass in einer Übergangszeit zusätzlich auch Pappmarken in gleicher Form ausgegeben wurden: 119 900 Stück zu 250 g und 254 900 Stück zu 25 g Brot.

Die Bäcker und Händler mussten die Marken einmal in der Woche mit den Mehlverteilstellen abrechnen. Sie erhielten Mehlbezugscheine, gegen die sie bei den Getreidemühlen dann wiederum das benötigte Mehl erhielten.

Die Knappheit der Nahrungsmittel verursachte in der Folgezeit eine immer weiter steigende Zahl von Betrügereien, mit denen die hungernde Bevölkerung versuchte, zusätzliche Lebensmittel zu erlangen: Es wurden Stammkarten für Personen beantragt, die nicht registriert angemeldet waren, im großen Stil Brotmarken gefälscht und gestohlen, sogar ganze Bestände einzelner Ausgabestellen geraubt. Zum Teil war die Prägung bei den gefälschten Marken verschwommen oder der Durchmesser des Loches in der Mitte stimmte nicht. Auf einigen stand statt „BROT“ die Bezeichnung „BRODT“. Die Kriegschronik der Stadt Münster vom März 1917 berichtet sogar davon, dass in der Stadt das Gerücht umhergehe, dass es in Holland eine Stanzerei gäbe, welche die münsterischen Marken nachahmen würde. Derartige gestohlene oder gefälschte Marken wurden dann auch auf dem Schwarzmarkt verkauft. Bettelnde Kinder baten z.B. 1916 nicht um Geld sondern um Brotmarken.

Da zuerst fast ausschließlich die Marke zu 2500 g Brot gefälscht wurde, beschloss man, sie vom 31. März 1920 an außer Kurs zu setzen. So tauchten danach häufiger Fälschungen der 1250 g Marke auf. So war man ab dem 17. Oktober 1920 gezwungen auch diese Marke durch nicht so fälschungsgefährdeten Papiermarken auszutauschen. Die 250 g Marke wurde kurz vor dem Ende der Rationierung von Mehl und Brot, am 7. Januar 1923, abgeschafft. Bei die letzten Ausgabe am 20. September 1923 gab es nur noch Papiermarken.

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Bezugsschein der Stadt Münster für Brot, Zuteilungswochen 3. bis 10. Oktober bzw. 10. bis 16. Oktober 1921, zusammen für 3.5 kg Brot, Papier, einseitig (Privatbesitz), Foto: Bernd Thier

Kriegsnotgeld

Neben der Nahrungsmittelknappheit entwickelte sich – nicht nur in Münster sondern im gesamten Deutschen Reich – seit Beginn des Krieges auch ein massiver Kleingeldmangel, der zu Behinderungen im täglichen Warenverkehr führte. Der Statt zog Kleingeldmünzen aus kriegswichtigen Materialen, z.B. Nickel, ein, die Bürger horteten Kleingeldmünzen, u.a. aus Silber, in der Hoffnung, mit deren Verkauf nach dem Krieg einen Gewinn zu erwirtschaften. So machte sich schnell besonders ein Mangel an 1, 10 und 25 Pfennig-Stücken bemerkbar.

Der Magistrat der Stadt Münster beschloss daher am 26. April 1917 den akuten Kleingeldmangel in der Stadt zu beheben. Zuvor war die Handelskammer im Auftrag der Kaufmannschaft an die Stadt herangetreten mit der Bitte, „Kriegsnotgeld“ herauszugeben. Man entschied sich gegen den Druck von Papiergeldscheinen und fasste daher folgenden Beschluss. Es sollten je 500.000 Stück 10 und 25 Pfennigstücke aus Zink hergestellt werden. Die Herstellungskosten hierfür betrugen 18 500 Reichsmark. Ursprünglich sollten die Münzen in der Mitte bzw. am Rand gelocht werden, um eine Verwechslung mit den Reichskleinmünzen zu verhindern, aber von diesem Plan wurde schnell wieder Abstand genommen.

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Kriegsnotmünzen der Stadt Münster zu 10 und 25 Pfennig 1917, Zink, Dm 19,1 und 23,1 mm (Menzel. Nr. 22667.1 u.3), (Privatbesitz), Foto: Bernd Thier

Das münsterische Kriegsnotgeld wurde am Tag des Volkskonzertes zum Besten der U-Bootsspende im Schlossgarten am 3. Juni 1917 erstmals ausgegeben. Der Eintritt dort kostete 50 Pfennig und man befürchtete einen Engpass beim Wechselgeld. Trotz der enormen Zahl von ausgegebenen Notmünzen bestand der Kleingeldmangel weiter, u.a. weil viele Münzen in das Münsterland abflossen und auch dort als Zahlungsmittel akzeptiert wurden.

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Kriegsnotmünzen der Stadt Münster zu 10 und 25 Pfennig 1918, Eisen, Dm 19,8 und 23,0 mm (Menzel Nr. ), (Privatbesitz), Foto: Bernd Thier

Am 21. August 1918 wurde daher in der Stadtverordnetenversammlung beschlossen, neues städtisches Notgeld in besserer Ausführung herauszugeben. Da Zink als kriegswichtiges Material für die Herstellung nicht mehr verwendet werden durfte, wurden die neuen Stücke mit der Jahreszahl 1918 nun aus Eisen hergestellt.

An den Prägungen von 1917 war Kritik von Heraldikern und „Münzkennern“ geübt worden, daher orientierte sich die neue Edition nach Entwürfen des münsterischen Geheimrats Philippi, des Landesrats Kayser und des Fabrikanten und Herstellers Adam Donner aus Elberfeld an „altmünsterischen Münzen“ des 17. Jahrhunderts. Der Auftrag zur ersten Neuauflage umfasste 1.000.000 10 Pfennig-Stücke und 500.000 25 Pfennig-Stücke. Die Herstellungskosten beliefen sich auf stolze 38.750 Reichsmark. Für Adam Donner war die Herstellung ein gutes Geschäfte, er fragt immer wieder wegen weiterer Neuauflagen an, so dass auch 1919 und 1920 weitere Auflagen dieser Münzen, jedoch jeweils mit der Jahreszahl 1918, geprägt wurden. Die letzte Lieferung erfolgte im Februar 1920.

Die zahlreichen Stempelvarianten dieser Münzen belegen, dass die Prägung einen enormen Umfang aufweist. Mit der Auflage von 1917 wurden zusammen 4 037495 Münzen im Gesamtnennwert von 628 273,20 Mark herstellt. Zumindest in Münster war der Kleingeldmangel damit weitgehend behoben, so das 1918 sogar dem Magistrat der Gemeinde Emsdetten münsterisches Kriegsnotgeld im Nennwert von 20.000 Mark und der Stadt Stadtlohn für 3000 Mark zur Deckung des dortigen Kleingeldmangels überwiesen werden konnten.

Nachdem seit 1921 dieser Mangel, auch als Vorbote der zunächst langsam beginnenden galoppierenden Inflation, behoben war, wurden die münsterischen Notgeldmünzen zum 1. Juli 1922 wieder eingezogen. Ausschließlich für Sammler sowie zu Werbezwecken und nicht für den Umlauf hatte die Stadt außerdem 1921 zwei Papiernotgeldserien im Wert von 50 Pfennig- und 2 Mark-Scheinen herausgegeben, von denen man sich zusätzliche Einnahmen für die leere Stadtkasse erhofft hatte. Diese Hoffnung erfüllte sich aber Mangels Interesse an den Scheinen leider nicht.

Literatur:

Horst Dahl, Brotmarken im 1. Weltkrieg. In: Numismatisches Nachrichtenblatt 37, 1988, S. 60–72.

Eduard Schulte, Kriegschronik der Stadt Münster 1914/18 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster VI), Münster 1930.

Hedwig Tekotte, Die Mehl- und Brotversorgung der Stadt Münster i.W. in der Kriegs- und Inflationszeit (1914–1923). Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte, Münster 1932.

Bernd Thier, Mit Kriegsgeld und „K-Brot“ gegen Hortungswahn und Hunger. Der tägliche Überlebenskampf an der „Heimatfront“ 1914 bis 1918, in: An der „Heimatfront“ – Westfalen und Lippe im Ersten Weltkrieg, hg. Vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Begleitpublikation zur gleichnamigen Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen, Münster, Bönen 2014, S. 34–53.

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26. Februar 2017

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