Biermarken gegen Wahlmüdigkeit
Beitrag von Klaus-Peter Hörr
Die Wahlbeteiligung an freien Wahlen ist ein Thema, welches die Politiker nicht erst in der heutigen Zeit beschäftigt. Ist sie gering, stellt sich die Frage nach dem Warum. Lag es nur am Wetter? Wird eine sehr hohe Wahlbeteiligung erreicht, tauchen Zweifel an einer freien und unabhängigen Wahl auf und es wird ein gewisser undemokratischer Wahlzwang vermutet.
Diese Thematik wurde am 25. Juni 1842 in der Nr. 169 des Allgemeinen Anzeigers und Nationalzeitung der Deutschen aus Gotha in einem ausführlichen Beitrag unter der Überschrift „Gemeinwesen. Aus Hildburghausen, im Jun. 1842“ im Zusammenhang mit einer Betrachtung zu einer Ergänzungswahl eines Gemeinderates behandelt. Dort lesen wir wie folgt:
„ … Diese Gleichgültigkeit, dieser aus Mangel an Oeffentlichkeit der städtischen Verfassung fehlende Gemeinsinn hat sich auch bei der in diesen Tagen vorgenommenen Wahl zur Ergänzung des Gemeinderaths wieder auf das unzweideutigste an den Tag gelegt.
Nach der Stadtverfassung von 1812 soll nämlich der Gemeinderath aus 16 Mitgliedern bestehen, von denen 12 aus den älteren Bürgern aller Klassen von der Bürgerschaft selbst und 4, welche zugleich die Stelle der Viertelsmeister vertreten, aus der jüngeren Bürgerschaft von dem Gemeinderath erwählt werden. Diese 16 Mitglieder sollen jährlich (zu Michaelis) zum vierten Theil erneuert werden, so daß also jedes Mitglied den Sitz im Gemeinderat vier Jahre lang behält und von den Viertelsmeistern jährlich einer austritt. Außerordentliche Wahlen, zu Ergänzung des Gemeinderaths, werden, wie jetzt der Fall, nur dann außer der oben benannten Zeit vorgenommen, wenn im Laufe eines Jahres einige Mitglieder aus irgend welchem Grunde abgegangen und besonders wichtige Geschäfte, wie z. B. Bürgermeisterwahlen, vorliegen.
Ueber die Art und Weise der vorzunehmenden Wahl ist leider keine gesetzliche Bestimmung vorhanden und so kam es denn, daß sie bald auf diese, bald auf jene Weise, bald mündlich zu Protocoll, bald schriftlich durch Wahlzettel vorgenommen ward. Letztere, als die üblichste, wurde meistens in der Weise beliebt, daß ein gedruckter Wahlzettel den Bürgern von den Viertelsmeistern zugestellt wurde und daß erstere am bestimmten Wahltage solchen, mit den Namen der Gewählten und ihrer eigenen Unterschrift versehen, entweder persönlich auf dem Rathause abgaben, oder durch einen Dritten abgegeben ließen und dagegen eine Marke empfingen, auf welche ihnen aus dem Stadtkeller ein Viertel (zwei Maß) verabreicht wurde.
Dieser Ergötzlichkeit war es nun insbesondere zu danken, daß bei den jährlichen Gemeinderathswahlen eine große Partie Wahlzettel einging, weil auch derjenige Bürger, welcher für sich selbst keinen Werth auf diese Ergötzlichkeit legte, doch entweder einem Hausgenossen oder Armen selbige dadurch zuwendete, daß er durch ihn seinen Wahlzettel überreichen und die sog. Biermarke in Empfang nehmen ließ. Aus diesem Grunde, der zugleich einen Wohlthätigkeitsact in sich faßte, nahmen auch die einsichtsvolleren, gebildeteren Bürger an der Wahlhandlung Antheil, während Andere, wie oben erwähnt, sich davon zurückzogen, um nicht als solche zu erscheinen, welche des Viertel Bieres wegen ihre Stadtverordneten wählten. Genug, man ist, mit Recht oder Unrecht will man hierdahin gestellt sein lassen, bei dem Gemeinderath selbst zu der Ueberzeugung gekommen, daß bei einer außerordentlichen Ergänzungswahl, bei welcher keine Biermarke verabreicht wird, wegen des aus obigen Gründen natürlich fehlenden Gemeinsinnes, äußerst wenig Wahlzettel eingehen würden.
Es wurde daher für diesmal vom Magistrat angeordnet, daß die Viertelmeister nicht allein die Wahlzettel bei den Bürgern abgeben, sondern auch nach einigen Tagen wieder abholen sollen, worauf dann das Resultat der auf diese Weise erzielten Ergänzungswahl bei versammelten Gemeinderath zusammengestellt wurde.
Allein diese gegenwärtig beliebte Verfahrensart entspricht auch nicht den bescheidensten Erfordernissen, die man an eine Stadtverordnetenwahl zu machen berechtigt ist…“
Die oben beschriebene Art und Weise von Gemeinderatswahlen mag uns etwas ungewohnt und fremd erscheinen. Dass der Autor damals mit diesem Wahlverfahren nicht ganz glücklich war, bringt er unmissverständlich zum Ausdruck. Wir müssen aber bedenken, dass wir eine Wahl von 1842 nicht mit einer aus dem Jahre 2020 vergleichen können. Eine geringe Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen wurde damals wie auch heute beklagt.
Wie werden die Wahl-Biermarken aus Hildburghausen ausgesehen haben? Waren es Marken, die das Stadtwappen trugen oder als Wahl-Biermarke besonders gekennzeichnet waren? Bisher gibt es offenbar keine Belege für diese Stücke! Sollte jemand Exemplare kenne oder besitzten würden sich die Redaktion des Wertmarkenforums über einen Hinweis sehr freuen (Mail bitte an info@wertmarkenforum.de).
Der Einsatz von Biermarken als Anreiz für eine Stimmabgabe bei Kommunalwahlen könnte ein interessanter Ansatz sein die Wahlbeteiligung zu erhöhen. An den Stammtischen und in den Biergärten ist man mehrheitlich der Meinung, dass hiermit die Wahlbeteiligung spürbar erhöht werden kann. Unbestätigte Meldungen besagen, dass die Deutsche Biertrinker Partei und der Deutsche Brauer-Bund e.V. sicherlich aktiv bei der entsprechenden Wahlgesetzgebung mitarbeiten würden und eine entsprechende kurzfristige Testwahl in Hildburghausen, Plauen und Münster befürworten.
Na denn man Prost!
Klaus-Peter Hörr, Plauen
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